INHALT
Wir alle leben in einem Widerspruch. Einem zutiefst sozialen Widerspruch. Auf der einen Seite sind wir schon rein evolutionär gesehen absolute Herdentiere. Wir brauchen andere Menschen, Familie – und gute Freunde.
Auf der anderen Seite brauchen wir sie nicht. Ja, ganz im Gegenteil – in einer modernen Welt kommen wir auch ganz gut alleine klar. Oft wünschen wir uns sogar niemanden zu sehen und einfach nur „unser Ding“ zu machen.
Dieser Artikel hat die Absicht, eine Brücke zu schlagen. Das Konzept von Freundschaft evolutionär-wissenschaftlich zu hinterfragen und eine Antwort auf folgende Frage zu finden: Was macht sinnvolle Freundschaften aus? Und wo finden wir diese?
Warum gute Freunde so wichtig für uns Menschen sind
Was ist eigentlich ein Freund? Ein Wort, was in diesem Zusammenhang immer wieder fällt, ist das Wort Verbindung. Denn es gibt definitiv eine Menge an Menschen auf dieser Welt. Doch dies allein löst noch keine Verbindung in uns zu jemand anderen aus.
Eine Freundschaft dagegen signalisiert, wir fühlen uns zu einer anderen Person tatsächlich verbunden und vernetzt. Wir fühlen diese Verbindung, da sie mit einem gewissen guten Gefühl einhergeht. In der Praxis kommunizieren wir mit so einer Person und stehen im Austausch von Gedanken, Gefühlen und Handlungen.
Was an dieser Stelle etwas technisch klingen mag, stellt eines der natürlichsten und ältesten Mechanismen unseres menschlichen Lebens dar. Und genau deshalb sind Freunde so wichtig.
Die Wissenschaft der Freundschaft
Der Mensch ist ein Herdentier. Das hatte in den Urzeiten ganz spezifische und pragmatische Gründe. Zum einen war das Überleben in der Gruppe sicherer. Diesen Mechanismus sehen wir in jeder Tier-Doku und ist sicherlich auf die Anfänge der Urmenschen übertragbar.
Doch auch aus biologischer und kultureller Sicht zeigt sich unser Bedürfnis nach Verbundenheit. Eltern empfinden eine natürliche Liebe zu ihren Kindern und schützen diese in der Regel, wo es nur geht.
Laufen, Sprechen, Essen, Fahrrad fahren, Fußball spielen, miteinander spielen, Werte und Normen – all dies sind nur ein Fünkchen der Aspekte, die wir durch andere Menschen lernen, nachahmen und als Kind für uns adaptieren.
Und genau dieses Zugehörigkeitsgefühl lässt sich auch auf unsere Gesundheit projizieren.
Studien bestätigen, dass Einsamkeit uns nicht guttut
Laut einer Studie aus dem Jahre 2010 ist allein das Risiko früher zu sterben bei einsamen Menschen ca. genauso hoch wie bei Menschen, die regelmäßig Alkohol trinken und rauchen. Das Risiko ist bei sozialer Isolation sogar höher als bei Diabetes-Patienten und Menschen mit Übergewicht.1https://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371/journal.pmed.1000316
Zusätzlich gibt es eine Untersuchung, dass Einsamkeit die gleichen Areale in unserem Gehirn triggert, wie körperlich empfundener Schmerz.2https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14551436/
Und noch eine Studie mit Aussagekraft: 10 Männer wurden für 150 Tage isoliert. Nach nur 30 Tagen erhöhte sich das Stresshormon Cortisol signifikant und einige Parameter für die Immunabwehr schwächten stark ab. Und Achtung: Sogar 5 Monate nach Beendigung des Experimentes waren diese Kennzeichen immer noch zu erkennen.3https://www.oncotarget.com/article/16856/text/
Das alles Entscheidende: Wir brauchen die richtigen Menschen
Wie wir an der Studienlage, unseren eigenen empfundenen Bedürfnissen und auch in der Evolution sehen: Wir brauchen andere Menschen. Doch nun kommt das große Aber. Denn bei den Studien ging es vor allem um das Gefühl von Einsamkeit und Nicht-Zugehörigkeit.
Es ist also nicht damit getan, dass wir einfach nicht mehr allein sind. Nein, wir müssen uns auch verbunden fühlen und eine Freundschaft regelrecht mit allen Sinnen wahrnehmen.
Wenn wir in Großstädte schauen, begegnet uns immer wieder ein Phänomen: Die Menschen haben andere Menschen um sich herum. Und doch fühlen sie sich einsam.
Die Gretchenfrage lautet also: Bei aller Freiheit, Optionen und einem Buffet aus Tausenden von Kontaktmöglichkeiten zu Menschen – wie finden wir die Richtigen? Wie finden wir Freundschaften, die unser Herz – und fast schon etwas sehr zweckmäßig formuliert, unser Immunsystem erwärmen?
Wie du zwischen guten und schlechten Freunden differenzierst
Das Konzept von guten und schlechten Freunden kann uns selbst viel vormachen. Denn ganz oft steckt hinter Ärger und Streit ja nichts anderes als der versteckte Vorwurf – „du hast dich nicht so verhalten wie ich es erwartet habe“.
Und in vielen Fällen hat die eigene emotionale Reaktion dann tatsächlich mit uns selbst zu tun, Gefühlstrigger aus vergangenen Erfahrungen oder unseren eigenen Glaubenskonstrukten „wie etwas zu sein hat“.
Ich möchte dir das praktische Konzept von Freundschaft daher etwas anders, vielleicht sogar tiefgründiger und vor allem viel umsetzbarer vorstellen, damit deine Freundschaften in Zukunft „besser“ werden.
Bekannter, guter Freund, Familie – die drei Arten von Freundschaft
Mir hat es sehr gut geholfen zu verstehen, dass ich nicht nur „gute Freunde“ in meinem Leben haben kann und muss. Sondern, dass jede Beziehung unterschiedlich ist und womöglich auch anderen Spielregeln folgt. Ich unterscheide eine Verbindung zu Menschen in drei verschiedene Kategorien.
1. Bekannter und Bekannte
Du weißt schon, die Leute, die man schlichtweg „kennt“. Man begrüßt sich meist herzlich und man unterhält sich. Der große Vorteil: Diese Verbindungen befruchten sich im Leben gegenseitig und es können Ressourcen geteilt werden. Zum Beispiel mit Kontakten zu einem Job, einem neuen Freundeskreis oder mit einer Einladung zum Sport.
Doch oft ist der Draht in diesen Beziehungen (noch) nicht so eng und man ist teilweise auch sehr froh darüber, da man sich eine enge Freundschaft nicht vorstellen kann. Das ist auch die Art von Kontakten, die uns das Gefühl gibt, zwar am sozialen Leben teilzunehmen, doch echte seelische Verbindung sieht dann doch anders aus.
2. Gute Freunde
Gute Freunde sind so etwas wie echte Freunde in unserem Leben. Wir verbringen viel Zeit miteinander und teilen private und intime Informationen und Gespräche. Mit diesen Menschen verbringen wir auch die meiste Zeit, weil wir uns einfach wohl mit ihnen fühlen. Der verbundene Faktor ist meist dieser: Wir teilen ähnliche Werte, Lebensvorstellungen und Charakterzüge. Und meist halten diese Verbindungen über Jahre.
Doch auch hier gibt es eine Kehrseite: Diese Verbindung ist immer noch sehr abhängig von äußeren Faktoren. Denn wandeln sich die Lebensumstände, wandeln sich die Interessen und Werte, dann sehen wir unseren Freund oder Freundin irgendwann mit anderen Augen. Das bedeutet, der Kontakt wird flacher und fällt zurück in Kategorie 1.
Andererseits kann es auch sein, dass die Verbindung mit der Zeit so eng wird, dass sie sogar in Kategorie 3 aufsteigen kann.
3. Familie
Nein, keine Sorge, hier geht es nicht um die körperliche Familie, die wir uns nicht aussuchen können. Es geht um Freundschaft, die sich anfühlt wie Familie. Dieses Konstrukt ist so eng und verbunden, dass es egal ist, wie lange man sich nicht gesehen hat oder ob man nun auf einmal doch Punk-Rocker statt Oberarzt geworden ist. Diese Verbindung ist wie Familie.
Was bedeutet das? Nun, es mag immer noch Streit geben oder Uneinigkeiten bzgl. bestimmter Werte. Doch eigentlich spielt das keine Rolle, denn man fühlt sich so verbunden, dass man diese Person ohne Rückfragen einfach 2 Monate bei sich wohnen lässt ohne groß zu überlegen.
Der Clou bei der Sache: Solche sehr seltenen Verbindungen können nicht erzwungen werden. Hier werden keine Werte oder Interessen hinterfragt. Es gibt keine Fragen wie „was habe ich eigentlich davon?“. Diese Beziehungen sind fast schon magisch und unerklärlich. Sie entstehen einfach.
Neue Freunde finden: 4 Tipps wie du gute Freundschaften knüpfen kannst
Mittlerweile ist klar geworden, dass es verschiedene Ebenen von Freundschaften gibt. Wenn du neue Leute kennenlernst, geht es also erstmal darum, Kontakt aufzubauen und zu schauen, ob die Chemie stimmt. Ist das der Fall, besteht Potential, die Verbindung zu vertiefen.
1. Ab vor die Tür
Machen wir uns nichts vor. Du kannst die besten Strategien anwenden, doch wenn du neue Leute kennenlernen möchtest, müssen diese auch da sein. Und hier liegt ein gewaltiges Problem, denn die meisten Menschen suchen Karibikstrand in der Eiswüste.
Sprich, du möchtest neue Freunde kennenlernen, mit denen du auf einer Wellenlänge bist? Dann ist es auch wichtig dorthin zu gehen, wo diese Menschen potentiell ebenfalls sein können.
Suche also Orte auf, an denen die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass du Menschen triffst, die einen ähnlichen Schlag und ähnliche Werte haben wie du. Nehmen wir an du wohnst in der Großstadt und interessierst dich für Yoga, Biohacking und spirituelles Wachstum. Wo könntest du neue Menschen treffen?
- bei Yoga-Kursen und Meditations-Abenden
- wenn du mit Freunden unterwegs bist und diese dir neue vorstellen
- bei Konferenzen und Seminaren zum Thema Biohacking, Kommunikation etc.
- bei anspruchsvollen Abendveranstaltungen wie Stand-Up-Comedy oder einer Lesung
- in einer weitläufigen Bar, in der ähnliche Leute zu Gast sind
- auf Tanzabenden
Sicherlich weißt du, worauf es hinausläuft. Suche dir die Aktivitäten, die am ehesten zu deinen Lebensvorstellungen passen und begebe dich so oft wie möglich in diese Situationen. Darüber hinaus gibt es immer ein paar „Spezial-Fälle“:
a) Neue Freunde als Erwachsener / über 50 finden
Gewöhne dich an den Gedanken, dass es eine reine Illsuion ist, dass du mit steigendem Alter keine neuen Freunde mehr kennenlernst. Ja, die sozialen Strukturen sind mit steigendem Alter meist etwas fester.
Allerdings habe ich in den letzten Jahren hunderte von „älteren“ Menschen bei Seminaren, Kongressen, privaten Partys erlebt, die von null auf hundert neue Kontakte erschlossen haben. Sieh diesen Gedanken also als willkommenes Komfortzonen-Training und belehre dich selbst eines besseren.
b) Neu und allein in einer Stadt neue Freunde finden
Jackpot! Wenn du alleine unterwegs bist, gibt es keine Begrenzungen mehr. Natürlich, insbesondere wenn du schüchtern bist, mag es etwas Überwindung kosten. Doch alleine bist du regelrecht gezwungen, neue Menschen kennenzulernen – also freu dich darauf.
c) Online neue Freunde finden
Natürlich kannst du versuchen auf den üblichen Dating-Portalen wie Tinder neue Menschen kennenzulernen. Allerdings ist der Kontakt hier meist sehr oberflächlich und du weißt oft nicht, wer sich wirklich hinter 3, 4 geschönten Bildern verbirgt.
Ich empfehle dir eher bei Facebook öffentliche Events herauszusuchen, die mit deinen Interessen zu tun haben und dort alleine oder mit einem Bekannten aufzuschlagen.
2. Humor mit der richtigen Würze
Gehen wir nun davon aus, dass du dich in 1-2 Tagen der Woche in eine Situation manövriert hast, in der neue Menschen neben dir auftauchen.
Die beste Art und Weise Kontakt aufzubauen, ist nach meiner Erfahrung folgendes Zauberwort: Humor. Sprich, eine freundlich humorvolle Bemerkung kommt bei den meisten Leuten oft gut an und bricht das Eis.
Vielleicht steigt nicht jeder darauf ein, doch auch das ist gut so, denn du bist ja daran interessiert Menschen kennenzulernen, die auch dich kennenlernen möchten.
Das Wichtige dabei ist, dass deinem Humor eine gewisse Würze oder auch Intention beigemischt ist, die freundlich ist. Sprich, du möchtest die andere Person ja tatsächlich kennenlernen und nicht provozieren oder dich respektlos über sie lustig machen. Mit dieser Intention im Hinterkopf wirkt das, was du sagst, in vielen Fällen charmanter und vertrauenerweckender.
Also, auch wenn du das Gefühl hast, eher unkommunikativ zu sein und nicht wirklich „lustig“: Halte dir vor Augen, dass auch dies nur gewohnte Gedanken deines Verstandes sind und überrasche dich selbst. Denn umso öfter du diese Art und Weise praktizierst, desto treffsicherer wirst du auch.
3. Sei authentisch
Kleine Botschaft zur Erleichterung: Nicht jeden neuen Menschen wirst du durch einen lockeren Spruch in der richtigen Umgebung kennenlernen. Denn das Leben ist so vielfältig, dass du die meisten Menschen durch „Zufall“ kennenlernst.
Wenn du nun beabsichtigst, einen neuen Freund oder eine neue Freundin zu gewinnen, dann sei authentisch. Und authentisch heißt, du sprichst und handelst danach, was du denkst und wirklich fühlst.
Denn viele Menschen sind so verzweifelt auf der Suche, dass sie sich selbst aufgeben. Das äußert sich oft so:
- Du bist netter zu jemandem oder schleimst dich ein, obwohl du die Person gar nicht so magst.
- Langweilige und unwesentliche Gespräche nerven dich kolossal, du hast aber Angst vor Abneigung oder Alleinsein.
- Du sprichst nicht deine Wahrheit oder stehst nicht zu deinen Werten, um nicht anzuecken.
- Nicht der Mensch gegenüber ist dir wichtig, sondern nur das, was er dir geben kann.
- Du spürst, dass die Verbindung dir nicht guttut und „toxisch“ ist, hältst aber deine Klappe, da du keinen Streit möchtest.
All diese Punkte haben eine Quintessenz: Wenn du einen Kontakt zu einem Menschen wegen eines Hintergedankens herstellst, oder aus Angst, sonst allein zu sein, dann wirst du logischerweise immer die falschen Freundschaften in dein Leben ziehen.
Also, sei authentisch und suche die Menschen aus, die es auch ernst mit deinem wahren Kern meinen.
4. Bleib allein und liebe dich selbst.
Hand aufs freundschaftliche Herz: Wann hast du die besten Menschen in deinem Leben getroffen? Ich weiß nicht, wie es dir geht, doch meine Antwort lautet: Wenn ich es nicht erwartet habe. Wenn ich mit den Gedanken ganz woanders war. Oder auch – wenn ich einfach nur gut gelaunt war.
Eigentlich gehen die ersten drei Punkte an der wichtigsten Frage überhaupt etwas vorbei. Denn die Lösung liegt nicht darin, wen du kennenlernen möchtest. Die eigentliche Frage ist:
Wer möchte dich kennenlernen?
Denn ist es nicht ein Zufall? Immer dann, wenn wir alleine und „OK“ mit uns selbst sind, genau dann wollen oft viele Leute etwas von uns. Ein Beweis dafür ist nicht zuletzt unser Instagram-Account. Die Menschen, die wir – ob nun gerechtfertigt oder nicht – bewundern und für ihre Arbeit oder Persönlichkeit respektieren, wollen wir oft mit einem großen Drang kennenlernen.
Wenn du also neue Freunde in dein Leben ziehen möchtest, die zu dir passen, liegt die Lösung ganz simpel darin, dir selbst genug zu sein und so sehr zu wachsen, dass du diese Menschen automatisch in dein Leben ziehst.
Beantworte dir daher die folgenden Fragen:
- Was ist deine Mission und Aufgabe im Leben?
- Setzt du diese bereits um?
- Dienst du anderen Menschen, weil du es musst oder weil du es willst und einen Sinn darin siehst?
- Wie sehr liebst du dich WIRKLICH, auch in Momenten, wenn du dich alleine fühlst oder vieles gegen dich läuft?
Ich verspreche dir, wenn du dir diese Fragen beantwortest und auch lebst, dann muss du dir um die Frage der richtigen Menschen in deinem Leben keine Sorgen mehr machen.
Fazit: Gute Freundschaften haben ihren Preis.
Wir wissen jetzt – gute, enge Verbindungen zu Menschen sind nach wie vor, wie die Luft zum Atmen, ein Grundbedürfnis für jeden von uns. Das ist schon rein aus evolutionären Gründen so. Das ist aus gesundheitlichen und gesellschaftlichen Gründen so. Wir finden Freude, Möglichkeiten und Erfüllung in engen Beziehungen.
Doch was anders geworden ist: Wir haben viel mehr Freiheiten und Optionen. Denn von einer gewissen oberflächlichen Perspektive aus brauchen wir andere Menschen nicht mehr so sehr und kommen (gefühlt) auch ganz gut alleine klar.
Und genau in diesem Freiheitsgefühl steckt unsere Aufgabe: Wir sollten uns die Leute in unserem Leben suchen, die uns wirklich etwas bedeuten. Und nicht nur Menschen, die einfach nur ein einsames Loch aus Angst vor Alleinsein und Bedürftigkeit stopfen. Dafür bedarf es drei Dingen:
- Wir zeigen uns in der Welt
- Wir gehen mutig auf andere zu
- Dabei sind wir so authentisch wie möglich
Die Königsdisziplin lautet aber: Sich selbst lieben und wertschätzen und das eigene Leben, die eigenen Werte und Missionen radikal leben. Dann begegnen uns genau die Menschen, die wir brauchen und wollen.
Einzelnachweise
0 Comments for “Neue Freunde finden: 4 Tipps wie du gute Freundschaften knüpfst”